Unabgelenkt

»In der Erinnerung sehe ich die Dinge zum ersten Mal richtig – so, wie sie sind. Weil ich mich ihnen in der Stille ganz konzentriert widmen kann, unabgelenkt von dem sonstigen Geschehen, das sie bei der ersten Begegnung umspült hat. Etwa, wenn ich jemandem in einer lauten, lebhaften Gesellschaft begegne. Der Mann oder die Frau machen einen großen Eindruck auf mich, und ich spüre sofort, dass sie mich weiterhin beschäftigen werden. Aber ich werde im Gewühl gezogen und gestoßen, das Gesicht verschwindet in der Menge, und ein Schwall von anderen Eindrücken schiebt sich zwischen mich und jene Wahrnehmung. Später, auf dem stillen Weg nach Hause, holt die Erinnerung das Gesicht hervor, und nun kann ich so lange und so ungestört dabei verweilen, wie ich will. Ich löse es aus den übrigen Eindrücken heraus und betrachte es ganz ruhig – wie zum ersten Mal. Die erinnerte Gegenwart als die besonnene Gegenwart, die nicht nur Wucht des Eindrucks ist, sondern Erkenntnis.«
– Pascal Mercier