Mottenphilosophie

gestern abend habe ich mit einer 

motte gesprochen 

sie versuchte andauernd

in eine elektrische glühbirne

hineinzukommen

und sich an den glühfäden

zu braten 



warum macht ihr 

motten das eigentlich

fragte ich 

gehört das etwa mit zu 

eurem leben oder so 

wenn das jetzt statt 

einer elektrischen birne 

eine offene kerze gewesen wäre 

würdest du jetzt nur noch 

ein häufchen asche sein

habt ihr denn gar keinen grips



massenhaft antwortete sie 

aber manchmal haben wir davon 

die nase voll 

unser alltag

wird langweilig 

und wir sehnen uns nach aufregung 

und schönheit 

feuer ist etwas schönes 

und wir wissen daß es uns tötet wenn

wir ihm zu nahe kommen 

aber was macht das schon 

besser man ist einen augenblick

lang glücklich 

und wird von der schönheit verschlungen 

als daß man ein langes leben 

voller langeweile hat 

deshalb legen wir unser 

ganzes selbst in diesen einen 

augenblick und vergehen

dazu ist das leben doch da 



und bevor ich sie noch zu einer 

anderen philosophie überreden konnte 

flatterte sie davon und 

stürzte sich voller wohlgefallen 

auf ein brennendes feuerzeug 

ich selbst bin gar nicht ihrer meinung 

ich würde lieber halb so glücklich 

aber zweimal so lange leben



doch gleichzeitig wünsche ich 

es gäbe etwas wonach ich mich mit derselben 

leidenschaft sehnen könnte

mit der sie aufs 

verschmoren bedacht war

archi

aus: Don Marquis 1927 – ‚gestatten archibald. Intime Geständnisse‘