Liebesbeweis

Eines der Themen, die auftauchen, wenn ich über Verlieben, sich wieder Verlieben und wahre Liebe spreche, ist, wie der andere diese Gefühle zum Ausdruck bringt.
Ich sage immer, wer etwas zum Ausdruck bringen will, möchte Wahrhaftigkeit beweisen. Wenn ich dir etwas beweisen muss, dann gehe ich davon aus, dass du mir nicht glaubst.
Sonst müsste ich dir nichts beweisen.
Also frage ich mich: »Warum sollte ich dir beweisen, dass ich dich liebe? Damit du ganz sicher sein kannst?« Wer zweifelt hier und braucht Beweise?
Wenn du mir nicht glaubst, ist das dein Problem, nicht meins. Warum sollte ich dir beweisen, dass ich dich liebe? Niemand »muss« etwas beweisen.
Wir sollten das Wort »beweisen« aus unserem Wortschatz streichen, denn es klingt furchtbar. Für mich entbehrt es jeglichen Sinns, einen Beweis für Gefühle einfordern zu wollen.

Wenn ich dir sage, dass ich ein weißes Kaninchen in der Hand halte, kannst du mir glauben oder nicht. Wenn du mir glaubst, dann tust du das, bevor ich meine Hand öffne. Wenn du mir erst glaubst, wenn ich die Hand öffne und sie dir vor die Nase halte, dann glaubst du deinen Augen, nicht mir. Wenn ich dir beweisen muss, dass ich ein weißes Kaninchen in der Hand halte, dann glaubst du mir nicht. Und wenn ich es dir dann zeige, denkst du, dass du mir glaubst, weil du es gesehen hast.
Aber in Wahrheit glaubst du nicht mir, sondern traust nur deinen Augen.

Wenn du hin und wieder zu mir sagst »Ich liebe dich«, um deine Liebe unter Beweis zu stellen, dann bringt mir das eigentlich nichts. Lass es lieber bleiben. Sagst du hingegen »Ich liebe dich«, weil du es in diesem Moment so empfindest, dann höre ich es sehr gern. Und auch wenn ich es gerne höre: Tu es nicht für mich, tu es aus dir heraus, weil es das ist, was du gerade fühlst, oder lass es sein.

Es bringt nichts, dem anderen meine Liebe beweisen zu wollen, nur damit er weiß, dass ich ihn liebe. »Schau mal, was ich für ein schönes Geburtstagsgeschenk für dich habe! Siehst du, wie sehr ich dich liebe?« So ein Verhalten ist kleinlich und dumm, denn es zielt darauf ab, dass der andere sich genauso verhält.
Natürlich freut es mich, wenn ich geliebt werde, wenn jemand zu mir kommt und mir sagt »Ich liebe dich« – aber nicht, um mir zu beweisen, dass er mich liebt, sondern weil ihm danach ist. Es ist absurd, »Ich liebe dich« zu sagen, nur um auch ein »Ich liebe dich« zu hören.

»Ich muss unbedingt daran denken, ein Geschenk zum Hochzeitstag zu kaufen. Sonst denkt meine Frau, dass ich sie nicht mehr liebe.«
(Und ich ergänze: Das denkt sie nicht nur. Sie merkt es.)

In zwischenmenschlichen Beziehungen geht es nicht darum, dass ich dir sage oder beweise, dass ich dich liebe. Es geht darum, ob du dich geliebt fühlst oder nicht.

– Jorge Bucay