»Es ist doch so: Der Mensch ist in Wahrheit allein. Im Tiefsten, meine ich. Liebe ist Spiegelung. Man sieht im anderen jenen Teil von sich selbst, den man direkt nicht sehen kann. Wer sieht schon ohne Spiegel seinen Hintern? Niemand. Der Liebesgegner ist der Spiegel.
Freilich liebt man nicht jeden Spiegel, sondern nur den, in dessen Rahmen man paßt. Jeder hat die Freunde, die er verdient.
Da habe ich eine aufschlußreiche Sache gesagt: Freunde! Das Primäre ist die Beziehung zu Freunden. Viel wichtiger als die zum Liebesgegner. Denn Liebe ist nichts anderes als Freundschaft, die mit Sexualischem angereichert ist. Was ist Sexualisches? Es ist der Wunsch, Verbotenes zu tun. Deshalb sind Ehen so lau. Plötzlich ist nichts mehr verboten.
Wie langweilig. Mit ganz Fremden ist es da anders: zunächst ist alles verboten, sogar das gierige Schauen. Langsam tappt man sich näher, man rückt der Sache auf den Leib. Dann tut man das Verbotene. Das ist herrlich. Deshalb ist Liebe Unsinn. Die Leute sind nur nicht so ehrlich wie ich. Sie wollen sich nicht gestehen, daß sie das Verbotene machen wollen. Deshalb nennen sie es Liebe und umgeben es mit einem Glorienschein.«
– Manfred von Conta, Der Totmacher