Fotogeste

»In der Fotogeste tut der Apparat, was der Fotograf will, und der Fotograf muss wollen, was der Apparat kann.«

[…]

»Wer schreibt, muss die Regeln der Orthografie und der Grammatik beherrschen. Wer knipst, muss sich an die immer einfacher werdenden Gebrauchsanweisungen halten, die auf der Outputseite des [Foto-] Apparates programmiert sind. Das ist Demokratie in der nachindustriellen Gesellschaft. Darum ist der Knipser unfähig, Fotos zu entziffern: Er hält die Fotos für automatisch abgebildete Welt. Das führt zu dem paradoxen Schluss, dass die Entzifferung der Fotos immer schwieriger wird, je mehr Leute knipsen; jeder glaubt, es sei unnötig, Fotos entziffern zu müssen, da jeder zu wissen meint, wie Fotos gemacht werden und was sie bedeuten…«

Vilém Flusser, Für eine Philosophie der Fotografie