Das stumme Lied
August 1975. In Kürze hat dieser restliche Körper, aufrecht gehalten von einem sentimentalen Gemüt, hinkend an seinen Erfahrungen, terrorisiert von einem sprunghaften Intellekt und jagdhundhaft von seiner unzuverlässigen Seele umkreist, aller Voraussicht nach den fünften Schritt in die zweite Hälfte des ihm möglicherweise zugebilligten knappen Jahrhunderts zu vollziehen. Die Schüsse trafen und trafen doch nicht. Die Liebe warf ihre Messer; das letzte vibriert noch im Holz. Das Licht alterte mit. Der Schatten gewann an Kontur. Schuld und Verrat haben ihre Positionen bezogen. Von den Zinnen herab wird jeder Schritt relativiert. Gleichmut und Egozentrik wühlen sich mit dem Hakenschnabel die Milben aus dem Gefieder. Das Unterholz versucht noch Wildnis zu spielen. Jedoch der Schädlingsfraß läßt keine Zweifel aufkommen. Und die Liste der ausgestorbenen Vögel ist lang. Es wird Zeit, Bestand aufzunehmen.
– Wolfdietrich Schnurre, Der Schattenfotograf